So ganz verstehe ich aber auch nicht, warum irgendwelche Tausende Jahre alten Relikte oder Tempel irgendeinem Nationalismus am Ausgrabungsort eher zustehen sollen als bspw. dem British Museum.
@lukasfx auf "Erstens" kann man im Einzelfall sicher genauer hinschauen, aber prominente Fälle wie die Elgin-Marmore passen da eben nicht rein; das "Zweitens" erschließt sich mir nicht bzw. scheint mir zirkulär (x steht ihnen zu, weil sie sonst zu wenig von x hätten? was begründet denn das Maß für "zu wenig"?)
- replies
- 1
- announces
- 0
- likes
- 0
@lukasfx Es geht mir nicht "nur" um die Marbles, die sind aber eben ein Beispiel, ansonsten siehe z.B. Nofretete, Pergamon-Altar, Ischtar-Tor …
Mir fehlt die nachvollziehbare Begründung, warum letzteres z.B. eher in den Irak gehören sollte als nach Berlin. Ägypten, Griechenland, Irak sind moderne Staaten mit modernen Gesellschaften, die mit diesen alten Kulturen wenig mehr zu tun haben als z.B. Deutschland und UK es haben – an fragilem Überschuss real vielleicht ein bisschen mehr Blut und Boden (aber daran will man das ja wohl kaum festmachen), und ansonsten bestenfalls noch nationalistische Mythologien (sich in eine bestimmte kulturelle Tradition behaupten zu einer Vergangenheit, die zig Herrschafts- und Religionswechsel, Sprachwandels, Bevölkerungsverschiebungen, usw. usf. zurück liegt). Diese Artefakte lassen sich IMO der einen Nation genauso (wenig) zuzusprechen wie der anderen, hält man Abstand von völkischen Argumenten.
Mir fehlt die nachvollziehbare Begründung, warum letzteres z.B. eher in den Irak gehören sollte als nach Berlin. Ägypten, Griechenland, Irak sind moderne Staaten mit modernen Gesellschaften, die mit diesen alten Kulturen wenig mehr zu tun haben als z.B. Deutschland und UK es haben – an fragilem Überschuss real vielleicht ein bisschen mehr Blut und Boden (aber daran will man das ja wohl kaum festmachen), und ansonsten bestenfalls noch nationalistische Mythologien (sich in eine bestimmte kulturelle Tradition behaupten zu einer Vergangenheit, die zig Herrschafts- und Religionswechsel, Sprachwandels, Bevölkerungsverschiebungen, usw. usf. zurück liegt). Diese Artefakte lassen sich IMO der einen Nation genauso (wenig) zuzusprechen wie der anderen, hält man Abstand von völkischen Argumenten.
@lukasfx ja, da liegen wir vermutlich gar nicht so weit auseinander.
Ich glaub, die relevanten Fragen ändern sich sehr entlang der zeitlichen Verortung und vorherigen Würdigung der Artefakte. Es macht einen Unterschied, ob man "frische" Gegenstände direkt aus ihrer aktiven kulturellen Einbindung entführt, oder eine Ruine aus zweitausend Jahren Erdschichten hebt und verschifft, die ungefähr so lange auch niemand zu Gesicht bekam. (Deshalb schrieb ich ja auch von Ausgrabungen Jahrtausende alter Tempel, nicht vom Raub der Benin-Bronzen. Mein Anlass waren Memes zum altgriechischen Bestand des British Museum, und vage Berührungen mit Kontinuitätsansprüchen des griechischen Nationalismus. Mein Eindruck ist, dass die Beutekunst-Debatte leicht solche nationalistischen Kontinuitätsmythen streifen kann, und dass man deshalb zumindest solche Zugehörigkeitsfragen immer wieder stellen sollte.)
Insoweit entsprechende Artefakte für ihr "Heimat"-Land auch dann noch einen bspw. touristischen/ökonomischen Wert darstellen dürften, wenn sie ansonsten zur dortigen Gegenwartskultur ziemlich disconnected sind, kann ich das "dekoloniale" Argument als wirtschaftspolitisches verstehen – "Entwicklungshilfe" quasi für die dortige Tourismusbranche. So richtig überzeugt mich das aber nicht, denn soweit die Brutalitäten des Kolonialismus materiell (militärisch, wirtschaftlich) fortwirken (und also Gegenstand einer Dekolonialisierungspolitik sein sollten), dürfte ein Exponat mehr oder weniger fürs dortige Hauptstadtmuseum auch nur einen eher symbolpolitischen Unterschied machen – und dafür scheinen mir die Debatten dann doch oft etwas zu hoch aufgehangen.
Ich glaub, die relevanten Fragen ändern sich sehr entlang der zeitlichen Verortung und vorherigen Würdigung der Artefakte. Es macht einen Unterschied, ob man "frische" Gegenstände direkt aus ihrer aktiven kulturellen Einbindung entführt, oder eine Ruine aus zweitausend Jahren Erdschichten hebt und verschifft, die ungefähr so lange auch niemand zu Gesicht bekam. (Deshalb schrieb ich ja auch von Ausgrabungen Jahrtausende alter Tempel, nicht vom Raub der Benin-Bronzen. Mein Anlass waren Memes zum altgriechischen Bestand des British Museum, und vage Berührungen mit Kontinuitätsansprüchen des griechischen Nationalismus. Mein Eindruck ist, dass die Beutekunst-Debatte leicht solche nationalistischen Kontinuitätsmythen streifen kann, und dass man deshalb zumindest solche Zugehörigkeitsfragen immer wieder stellen sollte.)
Insoweit entsprechende Artefakte für ihr "Heimat"-Land auch dann noch einen bspw. touristischen/ökonomischen Wert darstellen dürften, wenn sie ansonsten zur dortigen Gegenwartskultur ziemlich disconnected sind, kann ich das "dekoloniale" Argument als wirtschaftspolitisches verstehen – "Entwicklungshilfe" quasi für die dortige Tourismusbranche. So richtig überzeugt mich das aber nicht, denn soweit die Brutalitäten des Kolonialismus materiell (militärisch, wirtschaftlich) fortwirken (und also Gegenstand einer Dekolonialisierungspolitik sein sollten), dürfte ein Exponat mehr oder weniger fürs dortige Hauptstadtmuseum auch nur einen eher symbolpolitischen Unterschied machen – und dafür scheinen mir die Debatten dann doch oft etwas zu hoch aufgehangen.